Ich stelle gerade fest, dass es mir doch schwerer fällt über die erste Schwangerschaft zu schreiben. Das hat verschiedene Gründe. Ich muss ein klein wenig weiter ausholen.
Ich habe meinen Mann am 29.05.2008 standesamtlich und 31.05.2008 kirchlich geheiratet. Es waren wunderschöne Feiern und das Glück schien perfekt. Einen Tag später habe ich erfahren, dass meine Mutter an Darmkrebs erkrankt ist. Sie wusste schon länger, dass etwas nicht stimmt, hatte sich aber nicht behandeln lassen, weil sie die Hochzeit abwarten und mich nicht mit Sorgen belasten wollte.
Ihr werdet jetzt lachen, aber mein erster Gedanke war. Meine Mutter braucht einen Enkel. Naja was soll ich sagen. Gesagt getan ;). Mein Mann und ich hatten sowieso vor Kinder zu bekommen. Warum nicht sofort? An dieser Stelle muss ich mich bei meinem Mann bedanken. Er steht immer hinter mir und unterstützt mich, sei die Idee auch noch so impulsiv oder verrückt.
Im August, nur einen Zyklus nachdem ich die Pille abgesetzt hatte, hielt ich den positiven Test in Händen. Hm nein die mindestens 15 positiven Tests. Mein erster Gedanke war. OH Gott, ich bekomme ein BABY. Dieses Gefühlschaos kennt vermutlich jede werdende Mutter. Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade einmal in der 6. SSW und hatte nur gehört, dass man sich morgens gelegentlich übergeben muss. Wie sehr das von dem abweichen sollte, wie es dann bei mir war, konnte ich mir zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen. Es ging mir gut und ich freute mich auf mein Baby.
Mit der 8. SSW kam die Übelkeit. Zuerst nur morgens und ohne Brechreiz. Mit jedem Tag wurde die Arbeit in der Schule beschwerlicher. Ich konnte auf einmal Gerüche wahrnehmen, die ich nicht für möglich gehalten hatte. Eine Nase wie ein Hund. Ich konnte die kurz zuvor gerauchte Kippe der Kolleginnen riechen und das Mett- und Zwiebelbrötchen vom abendlichen Essen. Alle diese Gerüche, aber besonders seifige Gerüche, machten mir das Arbeiten bald unmöglich. Das unstillbare Erbrechen begann mit der 9 SSW. Wer an HG leidet, wird die Symptome kennen. Übelkeit den ganzen Tag, vermehrter Speichelfluss, Erbrechen bis zu 30 Mal am Tag und mehr, totale Erschöpfung.
Um näher bei meiner schwer kranken Mutter zu sein, hatten wir uns schon vor der Schwangerschaft entschlossen nach Mönchengladbach zu ziehen. Wir hatten uns eine wunderschöne Wohnung in Mönchengladbach gesucht. Schon beim Umzug dorthin konnte ich nicht helfen. Ich lag kotzend auf der Couch und mein armer Mann musste alles alleine bewältigen.
Jede Frau, die an Hyperemesis gravidarum leidet, bekommt folgende Ratschläge: Iss nen Keks vor dem Aufstehen, trink Ingewertee, geh an die frische Luft und um Himmels Willen nimm dein Kind an. Glaubt mir, ich habe Literweise Ingwertee getrunken, Akkupressurbänder getragen, Kekse gegessen, die quasi ohne Zögern wieder heraus kamen. Meine Ausflüge an die frische Luft wurden mit noch mehr Kotzen quittiert. Und dass dieses Kind ein absolutes Wunschkind war, muss ich an dieser Stelle nicht erwähnen.
Mein größter Albtraum begann, als ich das erste Mal in schwangerem Zustand in das Badezimmer der neuen Wohnung kam. Man muss dazu sagen, dass es eine Altbauwohnung war, deren Bad nicht renoviert war. Irgendetwas in diesem Bad stimmte nicht. Der Geruch dort führte sofort zu unstillbarem Erbrechen. Dort sollte ich wohnen? Man stelle sich vor, dass wir ja gerade erst dort eingezogen waren. Mit all der Arbeit, die so ein Umzug mit sich bringt. Ich konnte mich in dieser Wohnung nicht aufhalten. So zog ich ohne meinen Mann zu meinen Eltern. Wie es in der neuen Wohnung weitergehen sollte, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Mein Mann blieb erstmal dort und richtete die Wohnung weiter ein.
Heute bin ich für die Zeit mit meiner Mutter dankbar. Sie kotzte durch die Chemotherapie und ich, weil ich ein Baby erwartete. Wir waren Schwestern im Geiste. Obwohl meine Mom so krank war, hat sie mich verwöhnt. Ich vermute, dass auch deswegen die HG nicht so schlimm wie beim zweiten Mal war. Ich war nicht so gestresst. Ich musste keinen Alltag bewältigen. Ich habe viel geschlafen, gelesen oder Zeit mit meiner Mutter verbracht. Sie hat für mich gekocht, gewaschen und war einfach immer da.
Nach fast 5 Monaten getrennten Wohnens, habe ich mich entschlossen, wieder zu meinem Mann in die Wohnung zu ziehen. An der Situation hatte sich nichts geändert. Obwohl das Erbrechen so gut wie überstanden war, fing es dort wieder an. Nach vielen schlaflosen Nächten, in denen ich hin und her überlegte, wie ich meinem Mann beibringen sollte, dass ich aus dieser „stinkenden“ Wohnung wieder ausziehen musste, fasste ich Mut und vertraute mich ihm an. Was soll ich sagen mein Mann ist großartig. Nach nur 6 Monaten kündigten wir die Wohnung und zogen in eine wunderschöne Stadtwohnung mit wunderbar duftendem Badezimmer ;). Es war nicht die beste Sache hochschwanger umzuziehen, aber im Gegensatz zum ersten Mal, konnte ich jetzt wenigstens dabei sein und die Umzugshelfer anleiten. In der neuen Wohnung ging es mir sofort besser und ich konnte mich nun auf die Geburt vorbereiten.
Am 27.04 brachte mich mein Mann abends ins Krankenhaus, da ich besorgniserregende Blutdruckwerte hatte. Dort wurde ich sogleich aufgenommen, weil eine Schwangerschaftsvergiftung ausgeschlossen werden sollte. Am nächsten Morgen gab der Chefarzt mir 2 Optionen. Medikamentös den Blutdruck senken bis zum ET oder einleiten. Ich entschied mich für die Einleitung, da meine Kräfte sich dem Ende neigten. Ich hatte die HG zwar hinter mir gelassen, aber das Ganze hatte mich doch einiges an Kraft und Substanz gekostet. Am 29.04 brachte ich nach nur 2 1/2 Stunden in einem Wehensturm meinen Sohn auf die Welt. Und alles hatte sich gelohnt.
Meine Mutter ist durch ihren Enkel leider nicht wieder gesund geworden, aber sie hat ihn noch kennengelernt und ich bin sicher es hat sie für eine kurze Zeit ihr Leiden vergessen lassen.