Fünf Jahre hat es gedauert bis ich wieder schwanger werden wollte. Dabei war die Schwangerschaft 2008/09 mit meinem Sohn ein Spaziergang, wie ich heute weiß. Und trotzdem hat mir schon diese Erfahrung eine solche Angst eingejagt, dass es so lange gedauert hat, bis ich wieder den Mut gefasst hatte schwanger zu werden.
Im Juli 2013 war es soweit, ich hielt den positiven Test in Händen. Meine Freude darüber war grenzenlos, denn wir hatten schon lange versucht noch ein Baby zu bekommen. Fast augenblicklich hatte ich Angst, dass die HG wieder zuschlagen würde. Zu dieser Zeit hatte ich gerade ein 4. Schuljahr und war mitten in den Vorbereitungen zur Verabschiedung dieser Kinder. Ich hielt mich tapfer und brachte alle Proben zu unserem Theaterstück und die Feierlichkeiten hinter mich. Die Übelkeit hielt sich zu dieser Zeit noch in Grenzen und ich hatte die Hoffnung, dass ich dieses Mal verschont bliebe .
Mit den Sommerferien kam die lähmende Übelkeit. Ich war ca. in der 7. Ssw. Essen war nicht mehr möglich und trinken nur begrenzt. Draußen warenes 35° und mehr und trinken wichtiger denn je. Ich hielt mich mit Vomex über Wasser, so dass ich die Tage im benebelten Zustand verbrachte. Trotz dieses Medikamentes musste ich 25-30 x pro Tag brechen. Einzig die Nächte blieb ich verschont. Nach einer Woche war mein Zustand derart desolat, dass mein Mann und mein Bruder beschlossen, dass ich ins Krankenhaus muss. Mein Bruder war so lieb und kümmerte sich um unseren Sohn, so dass mein Mann mit mir ins Krankenhaus fahren konnte. Im Elisabethkrankenhaus Rheydt wurde ich sofort ernst genommen und nach einer kurzen Untersuchung aufgenommen. Zu dem Zeitpunkt war ich so schwach, dass mir schon auf dem Flur ein Bett zur Verfügung gestellt wurde, damit ich nicht umfalle. Mein Stoffwechsel war entgleist und ich bekam sofort einen Tropf mit Glucose und Vomex. An diesem Abend ging es mir kurzzeitig besser, so dass ich etwas Brot und Wasser zu mir nehmen konnnte.
Es folgten 3 Wochen Krankenhaus. Wer es nicht kennt, kann es sich nicht vorstellen. HG erkrankte Frauen können nicht essen oder trinken. Der Geruchssinn ist dermaßen ausgeprägt, dass jeder Geruch zur Qual wird. In meinem Fall waren besonders seifige Gerüche schlimm. Laute Geräusche oder helles Licht führten zu weiterem Erbrechen. Die Behandlung im Krankenhaus bestand aus 2 Glucose/Vomex Infusionen täglich. Schon nach wenigen Tagen war klar, dass diese Behandlung nicht dauerhaft anschlagen würde. Ich musste mich weiter übergebeb und flehte Gott an es zu beenden, während ich weinend und würgend vor dem Klo hockte. Meinem Baby ging es glücklicherweise die ganze Zeit gut. Ich jedoch vegetierte in einem Dämmerzustand vor mich hin. Insgesamt bekam ich in diesen 3 Wochen 16 Zugänge, da sie sich schnell entzündeten und dann wieder gezogen und neu gelegt werden mussten. Mein größtes Leid war, dass ich meinen Sohn kaum ertragen konnte. Seine Stimme, seine lebhafte Art und sein Geruch ( alles was ich soo liebe) führten fast augenblicklich zu unstillbarem Erbrechen. Mein armer Junge hat unter dieser Situation sehr gelitten. Er machte wieder ins Bett und hatte schreckliche Verlustängste. Ein paar Tage bevor ich entlassen wurde, wurde die Übelkeit so schlimm, dass die Ärzte mir vorschlugen ein anderes Medikament auszuprobieren. Ich konnte zwischen zwei Medikamenten auswählen. Zum einen Zofran, ein Medikament gegen Übelkeit während der Chemotherapie oder Agyrax, ein Medikamente, dass in Deutschland nicht mal mehr zugelassen ist. Ich kann nicht in Worte fassen, was ich bei dieser Entscheidung gefühlt habe. Nur soviel, es fühlte sich an, als ob ich das Todesurteil meines ungeborenen Kindes unterzeichne. Bevor ich den Ärzten meine Entscheidungen mitteilte, besprach ich alles mit meinem Bruder, der Apotheker ist. Er versicherte mir, dass beide Medikamente in der Schwangerschaft genommen werden dürfen, Agyrax jedoch die größeren Erfahrungswerte aufweist. Embryotox.de war damals eine große Hilfe. So wählte ich Agyrax. Die erste Tablette nahm ich unter Tränen, denn die Sorge blieb. Was wenn ich die eine Frau bin, bei der es Schäden anrichtet. Am 24.8 einen Tag nach meinem Geburtstag wurde ich entlassen. Agyrax hatte gewirkt. Das unstillbare Erbrechen war vorbei. Wer jetzt glaubt, dass nun eine „normale“ und glückliche Schwangerschaft folgte, irrt leider. Die Zeit zu Hause war eine einzige Qual. Zu duschen war oft eine Tagesaufgabe, an der ich oft gescheitert bin. Extreme Erschöpfung und Müdigkeit waren meine steten Begleiter. Mit zunehmendem Bauch, gesellte sich noch schrecklich Sodbrennen dazu. Alles in allem habe ich das Ende dieser Schwangerschaft herbeigesehnt und wenige Tage genossen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich neidisch auf jede glückliche Schwangere war und bin. Ich fühle mich um diese eigentlich schöne Zeit betrogen. Einzig und allein meine wunderschöne Tochter, die am 7.3.14 vollkommen gesund auf die Welt kam, hat mich versöhnt. Für meine Kinder würde ich das alles noch einmal durchstehen!